Auf Stippvisite in Schmottseiffen

Juli 2023

Die Sehnsucht war zu groß geworden, also stand der Entschluss fest: Eine Kurzreise von Berlin nach Schmottseiffen mit dem Auto.

Abfahrt kurz nach sechs in der Frühe, der Verkehr in der Ferienzeit Mitte Juli ist merklich geringer geworden, so dass die Fahrt zügig voranging.

Ein wenig bange sah ich der Autobahn nach einem kaum merklichen ‚Grenzübertritt‘ hinter Forst entgegen, befand sich vor wenigen Jahren dort noch ein Abschnitt, wie er nach der ursprünglichen Bauzeit der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zu erwarten war.

Aber die Überraschung war freudig: Der Verkehr gleitet auf der zurzeit halb fertig gestellten Fahrbahn einspurig zügig dahin, allerdings bedrängt von ungeduldigen ‚Einheimischen‘, für die die Geschwindigkeitsbegrenzung wohl eher eine Empfehlung darstellt.

Löwenberg: Bunzlauer Tor

Bald ist die Abfahrt nach Bunzlau erreicht, dann geht es zügig über Löwenberg nach Schmottseiffen.

Die Fahrt durch die liebliche niederschlesische Landschaft lässt schon bald eine Art Urlaubsgefühl aufkommen; hier scheint der Klimawandel den Mischwald noch nicht so stark beeinträchtigt zu haben wie in den brandenburgischen Kiefernwäldern.

Dann endlich erscheint der Kirchturm von St. Thekla, kurz nach der Einfahrt ins Dorf die Begrüßung durch die an Disneyland erinnernden überlebensgroßen Figuren der Schlesischen Legende. Dazu wird noch an anderer Stelle zu berichten sein.

Neu ist der Supermarkt, der den kleinen Laden gegenüber vom Ruprecht-Bäcker verdrängt zu haben scheint.

Das Schwesternhaus steht auch noch, wenn auch die letzten Jahre wohl recht bewegt vergangen sind. Herr Hartel empfängt wie immer freundlich, er hat viel zu tun.

Zuerst einmal geht es zur Kirche und zum Friedhof. Man sieht dem Gebäude an, dass die letzte Renovierung schon ein paar Jahre her ist, der Anstrich blättert an vielen Stellen. Zum Glück ist das Haupttor geöffnet, dann aber ist der Innenraum durch eine Gittertür versperrt, so dass nur ein beschränkter Einblick möglich ist. Viel hat sich wohl nicht geändert seit dem letzten Besuch vor ein paar Jahren. Es wäre interessant zu erfahren, wie sich der Kirchbesuch in Schmottseiffen entwickelt hat.

Der Friedhof bietet den bekannten Anblick mit den bunten Plastikblumen, die so manches überdecken. Das Grab der Großeltern von Bischof Müller sieht noch immer ansehnlich aus, dagegen verfällt die Begräbnisstätte des Pfarrverwesers Toepsch immer mehr; ein Blick ins Innere kann einen nur erschauern lassen.

Auf dem Rückweg dann das erfreuliche Erlebnis dieser Stippvisite. Am Fuße des Wegs zur Kirche haben es sich zwei Frauen zur Aufgabe gemacht, den Sockel des Kruzifixes neu zu bemalen. Die Jüngere spricht deutsch und erklärt, dass sie und ihre 86jährige Mutter es nicht länger mit ansehen konnten, wie dieses christliche Symbol verfiele.

So kauften sie im Baumarkt Farben und Pinsel und machten sich ans Werk.

Mein nächstes Ziel ist der Bahnhof Schmottseiffen, von dessen wundersamer Verwandlung ich schon erfahren hatte. Tatsächlich ist die Überraschung groß, als ich das Gebäude in frischer, abgestrahlter Verfassung erblicke. Besonders erfreulich ist die deutschsprachige Beschriftung. Im Inneren ist  nicht viel zu erkennen, die meisten Räume stehen noch leer; in einem befindet sich eine Tischtennisplatte. Man darf gespannt sein, wie die zukünftige Nutzung als Gemeindezentrum aussehen wird.

Mit meinem Klapprad breche ich dann auf dem schönen Radweg in Richtung Löwenberg zum Mittagessen auf. In Löwenberg hat sich auch nicht viel verändert; der Marktplatz ist ansehnlich wie immer, der Hauptverkehr verläuft ja längst um den Stadtkern herum, so dass eine angenehme Atmosphäre herrscht.

Schon bald nach meiner Rückkehr in Schmottseiffen trete ich dann die Heimreise an, die genauso unproblematisch verläuft wie die Hinreise.

Mein Entschluss steht fest: Bis zur nächsten Fahrt nach Schmottseiffen wird bestimmt nicht mehr so viel Zeit vergehen wie beim letzten Mal, dann aber hoffentlich mit ein paar Heimatfreunden.

                                                                                                        Text und Fotos: Bernhard Lange

  1. August 2021
    Was schenkt man einer begeisterten Familienforscherin mit Wurzeln in Schlesien zum runden Geburtstag? Eine Reise in die Heimat ihrer Ah-nen. Das haben sich meine Eltern und Mann Mark gedacht und mir, die seit unserer ersten Schlesienfahrt 2017 von nichts anderem mehr sprach damit einen Herzenswunsch erfüllt. Aufgrund der Pandemie hat sich das Wiedersehen mit der „Schläsing“ um ein Jahr nach hinten verschoben, aber umso grösser war die Freude, als es am 4. August 2021 für uns vier von Grevenbroich (NRW) aus endlich gen Osten ging. Die Fahrt führte uns einmal quer durch Deutschland. Nach einer kurzen Verschnaufs-pause in Leipzig erreichten wir via Görlitz und Greiffenberg unser Ziel: Opas Geburtsort Schmottseiffen.
    Der uns schon vertraute Kirchturm St. Theklas begrüsste uns und wir bezogen Quartier in Herrn Hartels beiden Bungalows.
    Beflügelt davon wieder zurück zu sein, waren wir schnell neuen Taten-drangs. Zuerst kehrten wir in unserem „Stammlokal“ im benachbarten Löwenberg ein, bevor Mark und ich noch einen Spaziergang durch Mit-tel-Schmottseiffen machten.
    Der abendliche Himmel bot dabei ein farbenprächtiges Wolkenspiel, das in mir nur einen Gedanken hervorrief: „Da freut sich jemand mit uns über unsere Rückkehr.“
    Erschöpft, aber gespannt auf das, was kommen würde, fielen wir ins Bett.

Alte Spuren suchen & neue hinterlassen

  1. August 2021
    Der nächste Tag begann mit einer Wanderung auf den vor unserer Haus-türe liegenden Stationsberg. Vorbei an den von Familie Hoferichter ge-schaffenen Kreuzwegstationen gelangten wir nach oben. Von dort hatte ich gehofft, die ikonische Aufnahme Mittel-Schmottseiffens mit Schwesternhaus und Kirche nachzustellen, musste aber erkennen, dass die Sicht heute wegen zu dichter Bäume nicht mehr so frei ist, wie sie es zu Opas Zeiten gewesen sein muss. Bergab gelang es uns dann aber doch noch dank einer Lichtung beide Schmottseiffener Wahrzeichen festzuhalten

Vom Stationsberg machten wir uns auf den Weg ins Niederdorf. Hier liegt unweit des ehemaligen Bahnbeamtenhauses Nr. 14, umgeben von viel Wiese und in Richtung eines Hügels, das Grundstück, auf dem Opa (Jahrgang 1926) geboren und aufgewachsen ist. Ich sage bewusst Grundstück, denn sein Elternhaus, Haus 19, steht heute nicht mehr.
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Trotzdem ist ein Besuch hier für uns jedes Mal ein Muss. Während wir vier Jahre zuvor Heimaterde und einen Mauerstein vom noch existieren-den Aussenkeller als Andenken mitgenommen hatten, haben wir dies-mal etwas dagelassen: eine Erinnerungstafel, die nun an einem Walnuss-baum hängend unserer Hübners gedenkt.

Natürlich in Absprache mit den heutigen Besitzern bei denen wir darauf-hin noch zu Kaffee und Gebäck eingeladen waren. Hinzukam ihre flies-send Englisch sprechende Tochter, die als Dolmetscherin agierte.
Sie hätte ich auch gerne an unserer Seite gehabt, als wir uns später mit dem Schmottseiffener Pastor getroffen haben. Durch die moderne Tech-nik war die Verständigung mit ihm jedoch mittels einer Übersetzungs-app ebenfalls kein Problem.
Schon im Vorfeld hatte er in den Kirchenbüchern St. Theklas erfolg-reich nach Hübner Einträgen für meine Forschung gesucht, so dass un-sere ganze Aufmerksamkeit dem Inneren der Kirche gelten konnte. Da-bei haben wir das nachgeholt, was wir beim letzten Mal versäumt hatten und sind zur Orgel emporgestiegen.
Carl Friedrich Ferdinand Buckows drittes Werk ist etwas in die Jahre gekommen, aber die deutschen Bezeichnungen der Registerzüge sowie die Namensplakette von Umbauer und Orgelbaumeister Max Eichler ha-ben sich erhalten.

Weitere Spuren der deutschen Ortsvergangenheit gab es im örtlichen Museum, dem einstigen Schuhmacherhaus der Familie Dittrich in Ober-Schmottseiffen, zu entdecken. Darunter z.B. die Grabtafel der früheren Hausherrin Maria Theresia geb. Baumert, das Halsband von Kantor Rin-gelhanns Hund und die Namensschablonen für Landwirt Bruno Pauls Getreidesäcke. Nicht zu vergessen, die vielen Alltagsgegenstände. Bei der Vorstellung, dass einer davon einmal meiner Familie gehört haben könnte, erschien ein Löffel oder Kleiderbügel plötzlich in einem ganz anderen Licht.

Auge in Auge mit Rübezahl

  1. August 2021
    Bisher hatten wir sie immer nur im Vorbeifahren vom Auto aus bewun-dert: die eindrucksvollen Felsformationen am Strassenrand südlich von Löwenberg bekannt als Löwenberger Schweiz.
    Das sollte sich mit dem Wanderführer des Löwenberger Regionalvereins (Lwóweckie Towarzystwo Regionalne) in der Hand an diesem Tag än-dern. Vom Löwenberger Marktplatz kommend, erreichten wir über den Hospitalberg und die Ruinen des Boberhauses den in den Wald führen-den Wanderweg.

Ab jetzt galt es die Augen nach Spuren des sagenumwobenen Berggeists Rübezahl offenzuhalten von dem mir als Kind Opa oft erzählt hatte.
Turm- und pilzartige Felsen regten unsere Fantasie an, doch sein „Herz“ in Form eines Steins, das hier zu finden sein soll, blieb uns verborgen.


Entschädigt wurden wir oben angekommen mit einer klaren Aussicht, die das Gebirge in der Ferne erahnen liess.

Nach einer wohlverdienten Stärkung wanderten wir weiter zum BuchWer mit dem Wanderweg vertraut ist, weiss, wo diese Begegnung statt-gefunden hat: in einer versteckten, über Treppenstufen zugänglichen Ni-sche, die auf den gegenüberliegenden Felsen verweisend die Inschrift „Zum Rübezahl“ trägt. Ein früher darüber angebrachtes Medaillon oder Ähnliches fehlt.
Im Gegensatz dazu ist der Obelisk im Buchholz nicht ganz verschwun-den. Überreste seines Fundaments liegen verstreut und moosüberwach-sen auf dem Waldboden. Hier war all unsere Vorstellungskraft gefragt, um sie gedanklich wieder zu dem thronenden Objekt zusammenzufügen, das es einst war.

Genauso viel, wenn nicht noch mehr Fantasie verlangte uns der wenige Gehminuten entfernte Blücherplatz ab, wo seit 1814 fast jedes Jahr Ende August das über die Grenzen Löwenbergs bekannte Fest zu Ehren des die Stadt von den Franzosen befreienden Feldmarschalls abgehalten worden war. Von dem was den Festplatz samt seines Restaurationsge-bäudes mal ausgemacht hat, ist nicht mehr viel übrig.
Blüchers Büste aus carrarischem Marmor von 1841 ist heute im Mu-seum im Löwenberger Rathaus zu sehen mit dessen Besuch wir den Tag ausklingen liessen.

Über den Dächern von Hirschberg

  1. August 2021
    Ein letzter Blick auf St. Thekla und das Schwesternhaus und schon war die Zeit in Schmottseiffen wieder vorbei. Grund traurig zu sein hatten wir aber nicht, denn schliesslich ging unsere Reise noch weiter: über Hirschberg ins Riesengebirge.
    In Hirschberg bummelten wir zu Akkordeonklängen eines Strassenmusi-kanten durch die malerische Altstadt und erkundeten ihre Sehenswürdig-keiten.
    Am „Ring“ wurde gerade eine Open-Air-Bühne aufgebaut für deren Aufführung man keine bessere Kulisse als das Rathaus und die bunten Bürgerhäuser hätte wählen können.
    Bunt, lebendig und geschichtsträchtig, so präsentierte sich uns die „Perle des Riesengebirges“.
    Mark, gebürtig aus Kalifornien, war besonders von den vielen histori-schen Gebäuden angetan, die es in dieser Anhäufung in seiner Heimat nicht gibt.
    Von einem davon, dem Burgtorturm, genossen wir die Sicht über die Stadt; die Bergwelt zum Greifen nah. Der Turm ist kostenfrei zu bestei-gen, aber Vorsicht, man muss schwindelfrei sein. Ist man es nicht, schickt man seinen Mann auf die oberste Aussichtsplattform zum Foto-grafieren (zwinker).

Wird fortgesetzt!